Basisbildung

Unser Verständnis von Basisbildung

Stand: Juni 2023

In dem Wissen, dass Basisbildung weltweit unterschiedliche Ausprägungen hat und in verschiedenen Ländern/Kontinenten historisch unterschiedliche Entwicklungen genommen hat, haben wir den Versuch einer (offenen) Begriffsbestimmung gemacht, in der kritische Aspekte hinsichtlich der aktuellen Angebote und der an sie von oben bzw. von außen herangetragenen Ansprüche im Vordergrund stehen.

Ziel dieser gemeinsamen Begriffsbestimmung ist ein macht-kritisches, fortschrittliches, auf die jeweiligen Anforderungen an Lehrende und Lernende Rücksicht nehmendes Verständnis von Basisbildung zu formulieren, das sich der Zumutungen neoliberaler Verwertungszusammenhänge bewusst ist, und Lernen (nachholendes Lernen, Weiterlernen, lebenslanges Lernen) in einer von globaler Ungleichheit geprägten Welt einer systemkritischen Betrachtung unterzieht. Das Ziel ist ein Verständnis von Lernen zu stärken, das nicht nur individuelle Bereicherung, sondern auch gesamtgesellschaftliche Veränderungen in Richtung auf mehr Demokratie, Gleichheit und historische Gerechtigkeit ermöglicht.

 Basisbildung im Sinne des Forums ist…

 …wenn die Lernenden im Mittelpunkt stehen.

Das bedeutet grundsätzlich, erwachsene Lerner*innen/Menschen in ihren Bedürfnissen ernst zu nehmen.

Dazu gehört das Anerkennen und Wertschätzen der Fähigkeiten, Kompetenzen und des Wissens der Lernenden.

Inhaltlich bestimmt ist Basisbildung durch das, was die Teilnehmer*innen lernen wollen: Basisbildung orientiert sich grundlegend an den Lernzielen der Teilnehmer*innen, baut auf diesen auf und erweitert diese schrittweise in einem wechselseitigen Prozess.

Basisbildung trägt dazu bei, dass die Lernenden ihre eigenen Kompetenzen und gegebenenfalls schriftsprachlichen Fähigkeiten (besser) einschätzen können und in diesem Zusammenhang eigene Lernwünsche entdecken können. Basisbildung ermöglicht Lernen aus eigenem Antrieb, Freude an Neuem und erkennt auch an, dass Lernen als lustvolle Auseinandersetzung mit der Welt nicht unbedingt zielgerichtet sein muss. 

…ein gemeinsames Arbeiten der Lernenden und Lehrenden an der Erweiterung des individuellen „Aktionsrahmens“ in verschiedenen Lebensbereichen.

Basisbildung erfolgt durch eine (jeweils institutionell und individuell unterschiedlich gewichtete) Verbindung aus Sprachbildung, Schriftspracherwerb, Mathematik, Digitaler Bildung, Politischer Bildung, formalem Lernen, Reflexion der eigenen Lernprozesse und Lernstrategien. Umgesetzt wird dies in Form von verschränktem Lernen, d.h. von Lernangeboten, die stets von konkreten (für die Lernenden lebensweltlich relevanten) Themen ausgehen und nicht abstrakt definierte Kompetenzen zum Ausgangspunkt nehmen. Die einzelnen Kompetenzbereiche werden in kombinierter Form im Unterricht bearbeitet, je nachdem welche Kompetenzen für ein gemeinsam ausgewähltes Thema relevant sind.

Basisbildung erzeugt Wirkungen, die den Rahmen der Messbarkeit sprengen und muss/soll daher – und das ist eine Frage der Methoden und der Didaktik – mit Lust verbunden sein/werden. Dazu gehört auch das Verständnis, dass Lernprozesse mitunter langsame und nicht lineare Prozesse sind.

Zentral sind die Wertschätzung und Aufwertung informellen Lernens sowie die Anknüpfung an lebensweltlich relevanten Themen. Basisbildung ist äußerst vielfältig, aufgrund der unterschiedlichen Menschen mit mannigfaltigen Lernbedürfnissen.

Basisbildung ist wesentlich auch gemeinschaftliches Lernen, das vom gegenseitigen Austausch lebt und durch Lernen voneinander bestimmt ist. Basisbildung stärkt die Lernenden durch die Erfahrung, dass es anderen ähnlich geht.

Als gemeinsamer “Erkundungsprozess” mit Alltagserfahrung des/der Einzelnen als Bezugspunkt ist Basisbildung auch ein Prozess der Befreiung, der individuelle, gruppendynamische und gesellschaftspolitische Aspekte aufweist.

…ein Lernraum, der die gemeinsame Reflexion der Lernenden und Lehrenden ermöglicht.

Besonders für Lehrende ist die Reflexion der eigenen Positionierung in diesem als gemeinsamen verstandenen Lernraum von größter Bedeutung. Das kann auch heißen, das Handeln als Lehrende als Teil von Reflexions- und Lernprozessen zu verstehen.

Vor allem aber das Privilegien-Bewusstsein Das Privilegien-Bewusstsein Lehrender kann vor allem durch Räume der Reflexion und die Auseinandersetzung mit „Verantwortlichkeiten“ gefördert werden.

In diesem als Reflexionsraum verstandenen Lernraum, der das Freilegen/Ausverhandeln politischer Perspektiven aus einer ethischen Haltung heraus begünstigt, können Haltungen entstehen und gepflegt werden, die emanzipatorische Bildungsarbeit gewährleisten. Haltung – wo und wann sagen wir halt – kann dabei auch als Ermöglichung des Nicht-Mitmachens, des Widerstands gegen unzumutbare gesellschaftspolitische Anforderungen verstanden werden.

Basisbildung ist immer auch kollektives Lernen im Sinne von Solidarität – als Gegenbegriff zum individuellen Lernen. Kurse/Basisbildungs-Angebote fungieren als Räume, in denen der Umgang mit Rassismus, Diskriminierung, gesellschaftliche Ungleichheiten besprochen wird und dienen der kritischen und reflexiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verhältnissen sowie der Analyse der eigenen Positionierung innerhalb der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.

In diesem Sinne beinhaltet Basisbildung Unterstützungsangebote zur Überwindung sozialer/politischer/rechtlicher Benachteiligung und Diskriminierung, geht aber weit darüber hinaus.

Basisbildung ist ein wichtiges demokratiepolitisches Angebot, als sie parteiisch ist (idealerweise nicht nur die Lehrenden, sondern auch die Institutionen und Fördergeber) und im Sinne von Freire Bildung von unten ermöglicht.

Basisbildung kann als Raum der Imagination, des Entwurfs einer „besseren Welt“ verstanden werden, der durch „kleine“ Aktionen zur Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse beiträgt. Basisbildung versteht sich so als Teil der Vergesellschaftung kritischer und solidarischer Ideen und Handlungen und ist bestrebt, Sichtbarkeit von bislang unsichtbaren Geschichten herzustellen und den hegemonialen Wissenskanon herauszufordern.

…Wissenskritik.

Methoden und Inhalte sowie das ihnen zugrundeliegende Wissen sind nicht neutral.

Das betrifft fachdidaktisches Wissen, das Wissen über das Lernen, über Lernprozesse und beinhaltet sowohl Methodenreflexion als auch das Reflektieren über Lernprozesse.

Damit ist auch ein Lernen über Verhältnisse in Verhältnissen gemeint. Die Forderung „Lernen, von unten zu lernen“ setzt die Reflexion gesellschaftlicher Positionen/Positionierungen von Lehrenden und Lernenden voraus. Es geht darum, Herrschaftswissen zu erwerben, sich anzueignen und es gleichzeitig in Frage zu stellen, um es emanzipatorisch zu nutzen, z.B. formales Lernen strategisch zu lernen, aber dabei nicht stehen zu bleiben.

Auf der Grundlage dieser Begriffsbestimmung positionieren wir uns gegen einen verengten und funktionalistischen sowie an Messbarkeit und Brauchbarkeit orientiertem Verständnis von Basisbildung.

Basisbildung im Sinne emanzipatorischer und herrschaftskritischer und kollektiver Bildungsprozesse darf nicht auf Verwertbarkeit und Anschlussfähigkeit an den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein. Daher ist Basisbildung mehr als Lernen in formalen und in non-formalen Lernsettings, mehr als politische Bildung im Sinne von Institutionen- oder „Werte“kunde und auch mehr als die Vorbereitung auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder weiterführende Bildungsangebote.

Basisbildung ist daher in unserem Verständnis mehr als ein an Machbarkeiten orientiertes Bildungsangebot (in einem rassistischen Migrations-, Arbeitsmarkt- und Prüfungsregime), das dem Erwerb von Herrschaftswissen dient.

Sie ist weder ein vorgegebener Inhalt noch einem bestimmten funktionalen Zweck verpflichtet. Basisbildung ist auch nicht auf ihre gegenwärtige Ausformung in Österreich beschränkt und muss in ihrer historischen, geographischen und vor allem politischen Vielfalt betrachtet werden. Schließlich ist Basisbildung ein offenes politisches Projekt, das sich nicht in ein Korsett enger zeitlich und inhaltlich reglementierter Zielvorstellungen pressen lässt.

Hier können Sie unser Verständnis von Basisbildung als PDF herunterladen.